Gastvortrag und Seminar am 30./31. Jänner 2024
Papyrusbriefe bieten sehr wichtige Einblicke in den Alltag und die Welterfahrung antiker Menschen. Professor Peter Arzt-Grabner und seine Mitarbeiter:innen an der Universität Salzburg liefern seit Jahrzehnten wegweisende Beiträge, die unser Verständnis der Paulusbriefe aufgrund papyrologischer Forschung verändert haben.
Prof. Dr. Peter Arzt-Grabner hielt am 30.1.2024 einen Gastvortrag über den Galaterbrief im Lichte von Papyrusbriefen.
Papyrusbriefe wurden von der neutestamentlichen Exegese lange Zeit als kurze Alltagsschreiben wenig gebildeter Frauen und Männer gesehen, die mit den umfangreichen und komplexen Texten des Paulus von Tarsus kaum verglichen werden könnten. Diese Ansicht ist mittlerweile obsolet. Der im Original erhaltene Papyrusbrief des Advokaten Aurelios Ammon an seine Mutter (P.Ammon 1.3; Mitte des vierten Jahrhunderts n.Chr. in Alexandria geschrieben) ist in Umfang und Art der Gestaltung bestens mit dem Galaterbrief vergleichbar. Und hunderte weitere Beispiele geben uns Einblick in Verwendung und Intention brieflicher Formeln und Konventionen, die auch Paulus verwendete. Dabei zeigt sich, dass die Art, wie sich Paulus deren Sprachintention zu Nutze machte und sie individuell anreicherte, ganz wesentlich zur Vermittlung seine Anliegen beitrug.
Prof. Arzt-Grabner und seine Mitarbeiterin Frau Astrid Wimmer hielten am 31.1.2024 ein vertiefendes Seminar. Es fand im Rahmen des Graduiertenkollegs „Resonant Self-World Relations“ statt.
Das Seminar behandelte Rechtliches, Medizinisches und Magisches im Galaterbrief. Viele Stellen in dem Brief können mithilfe dokumentarischer und semiliterarischer Papyri und Ostraka näher beleuchtet werden. Im Zusammenhang mit Gal 3,1 zum Beispiel ist zu fragen, inwieweit Paulus hier bewusst an magische Zusammenhänge denkt, die beim Thema Fluch und Verfluchung (vgl. Gal 3,10-13) zumindest mitzudenken sind. Ein Blick in die damalige Praxis der Testamentslegung regt zu bedeutenden Schlussfolgerungen darüber an, wie Paulus das Verhältnis zwischen Gesetz und Testament sowie zwischen „altem“ und „neuem“ Bund (vgl. 2Kor 3) verstanden hat. Antike Vorstellungen über Schwangerschaft und Geburt, die aus medizinischen und magischen Texten, also sogenannten semiliterarischen Quellen, erhoben werden können, beleuchten u.a. die Geburtswehen des Paulus von Gal 4,19.
Dr. Peter Arzt-Grabner ist Professor für Neues Testament und Papyrologie und Leiter der Forschungsabteilung Papyrologie am Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte der Paris Lodron Universität Salzburg. Seit 1994 hat er mehrere Forschungsprojekte zum Vergleich dokumentarischer Papyri und neutestamentlicher Texte geleitet, zuletzt das FWF-Projekt „Papyrological Commentary on Galatians“. Er ist Begründer und Mitherausgeber der Reihen „Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament“ (Brill | Vandenhoeck & Ruprecht) und „Papyri and the New Testament“ (Brill | Schöningh).
Astrid Wimmer hat als studentische Mitarbeiterin wesentliche Beiträge für das FWF-Projekt zum Galaterbrief geliefert und arbeitet derzeit als Studienassistentin am Salzburger Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte.
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